„Ein Vogel ist ins Kanal gefallen. Er schafft nicht raus zu kommen“.
„Wie“
Ich ging zur Luke, wo das Gelände im Raum meines Ateliers war. Unter dem Gelände fließt ein Fleet. Vor einigen Stunden fing die Flut an. Der Wasserspiegel stieg auf. Jetzt war der Wasserstand ziemlich hoch. Ich guckte das gebräunte trübe Kanalwasser im Brooktorkaikanal in der Speicherstadt an.
Ein großer Vogel im sumpfigen Kanalwasser flatterte hektisch und panisch. Aus aller Kraft und Mühe schwamm er gegen den Strom, um die Kanalwände aus den Rotklinkern zu erreichen.
Die beiden Flügel waren weit auseinander gefächert, wie das Segeltuch. Die tragische Gestikulation der Flügelbewegung peitschte die leichtwellige Wasseroberfläche. Es war eindeutig, dass er ausversehend ins Wasser runtergefallen war. Vermutlich wollte er sich auf den Wandleiter an der Kanalwand hinsetzen. Aber es mag wohl sein, dass er aus der schmalen runden Metalltreppe ausgerutscht war und ins Wasser fiel.
Gerade versuchte er es noch zu Überleben. Beinahe hätte er es geschafft, die Rotklinker der Kanalwände mit den Krallen festzuhalten. Aber scheinbar war die Wasserströmung stärker als seine Kraft. Er schafft nicht, die Wände zu klettern. Er rutschte immer wieder aus.
„Oh, Man, er schaffts nicht!
Niko und ich standen am Gelände angelegt im zweiten Stock im alten Speicher und schauten verzweifelt ausgeliefert das Geschehen uns an. Es blieb uns nichts übrig außer, dass wir im Chor stöhnten. „Oh!“ oder „Nein!“.
Während er im Wasser um sein Leben kämpfte, kam ein Motorboot mit vierer Mannschaft aus der Brooktorkaibrücke und fuhr ungeahnt neben ihn vorbei in die Richtung Elbphilharmonie. Niko brüllte ganz laut vom Gelände der vierer Mannschaft,
“ hallo“.
Wegen Schrei blickten sie überrascht kopfhoch uns an. Niko gestikulierte mit der Hand und schrie weiter,
„Der Vogel, der Vogel ist im Wasser!“
Er zeigte die Richtung hin und gab das Signal, wo die Krähe schwamm. Aber keiner verstand was er meinte.
Das laute Brummen des Motors hörte man wehrlos.
„ Brrrrr……..“.
Als das Boot um die Kurve verschwand, wirbelte die Bugwelle das Kanalwasser. Das erschwerte sein Schwimmen in die Kanalwand. Die tänzelnden großen Wellen schoben den entkräften Krähe hin und her und schlugen ihn mehrmals gegen die Wand.
Das Flattern im Wasser wurde immer schwächer. Das Zucken hörte bald auf. Regungslos. Ertrunken. Der Kadaver glitt geschmeidig aufs Wasser, als ob er die rhythmischen spiralen Schritte der Wassertango mit dem Tod machte. Am Ende verschwand das Bild auch aus dem Blick von uns.
Das machte uns lange im Schweigen.
Das Ganze läßt mich an den Flüchtlingsboote im Mittelmeer denken.
Der Gedanke läßt mich nicht los.
So banal passierte das Unglück.